Am vorletzten Donnerstag und Freitag erklangen mal wieder ungewohnte Klänge – nämlich englische - in der Turnhalle der Hermann-Ehlers-Schule (HES) in Erbenheim. Denn bereits zum zweiten Mal waren die Rhine River Rhinos zu Besuch an der Erbenheimer Ganztagsschule. Jim Palmer und Gijs Even, zwei aktive Spieler des Wiesbadener Rollstuhl-Basketball-Bundesligisten, waren an beiden Tagen für jeweils mehrere Stunden zu Gast an der HES. „Push, push, push“, hallte es zum Beispiel häufig durch die Sporthalle, damit versuchte Gijs Even die HES-Schülerinnen und -Schüler, die im Rollstuhl saßen, zu motivieren, noch etwas schneller durch die Halle zu düsen.

Jetzt aber erst mal der Reihe nach: HES-Siebtklässer, die alle im Rollstuhl sitzen und offensichtlich auch noch Spaß dabei haben, Anweisungen, die laut in englischer Sprache gebrüllt werden – warum? Wie bereits erwähnt, die Rhine River Rhinos, wem das nichts sagt, sie spielen für die hessische Landeshauptstadt sehr erfolgreich Rollstuhlbasketball in der 1. Bundesliga, waren an die Hermann-Ehlers-Schule gekommen. Die Jugendlichen konnten deshalb im Rahmen des Projektes „Akzeptanz und Toleranz“ „erste Erfahrungen im Rollstuhl sammeln und dadurch zu der Erkenntnis gelangen, dass man auch als Mensch mit Handicap sportliche Höchstleistungen erzielen kann“, wie Tim Dautermann, Klassenlehrer der 7c zufrieden betonte.

Fast alle Siebtklässer gaben richtig Gas, nachdem sie bemerkt hatten, dass man in den Spezialrollstühlen, wegen den zwei kleinen Rädern an ihrer Rückseite, nicht umkippen kann und lernten erstaunlich schnell die Grundtechniken des Rollstuhlbasketballs – wie beispielsweise die verschiedenen Passarten. Es gibt zum Beispiel den „through-the-air“-Pass, bei dem der Basketball nicht den Boden berühren darf, oder den „overhead“-Pass für längere Distanzen oder der Ball darf lediglich einmal den Boden berühren, bevor er beim Mitspieler ankommt.

Dann erneut ein englischer Satz aus dem Mund von Gijs Even: „Now, I will show you how to pick the ball up from the floor!“ Auf Deutsch: „Jetzt werde ich euch zeigen, wie man einen Ball vom Boden hochholt!“ Und wie funktioniert das? Man fährt einfach seitlich mit dem Rollstuhl neben den am Boden liegenden Basketball, entscheidend ist dabei, dass das Rad des Rollstuhls den Ball berührt, dann fährt man einfach langsam mit dem Rollstuhl vorwärts und schon kommt der Ball durch die Bewegung des Rades nach oben und man kann ihn greifen. Dann gab es noch ein packendes, weil sehr spannendes, Trainingsspiel bei dem es hoch her ging und auch einige sehenswerte Körbwürfe zu bestaunen waren – die Siebtklässer hatten sichtlich Spaß, gaben demgemäß richtig Gas und wurden immer wieder lautstark auf Englisch von dem Rollstuhl-Basketballprofi angefeuert.

Danach wurde es deutlich ruhiger, denn nun folgte der theoretische Teil in einem Raum der Schulsozialarbeit. Jetzt durften die Schülerinnen und Schüler der HES dem zweiten anwesenden Spieler Jim Palmer, natürlich in englischer Sprache, Löcher in den Bauch fragen. In den meisten Fällen gelang das auch erstaunlich gut. „Do you drive a car?“, also ob der Basketballprofi mit Handicap Auto fährt, wollte zum Beispiel ein Schüler wissen und Jim Palmer antwortete: „Yes, a car with automatic!“ Oder die Siebtklässer fragten, ob er ein Profi ist und wie viel er verdient. Sie erfuhren, dass er während der gerade begonnenen Saison jede Woche von Montag bis Freitag jeden Tag zwei Mal trainiert, immer samstags dann das Bundesliga-Spiel ist und er sonntags dann seinen freien Tag hat. Auf die Frage, was er verdient, antwortete Jim Palmer zwar nicht konkret, er verriet aber, dass er zwei Gehälter bekomme, nämlich eines von den Rhine River Rhinos und ein weiteres, da er auch noch für das englische Nationalteam spiele. Und davon könne er gut leben. Ein Mädchen wollte wissen, wie viel so ein Rollstuhl kostet. Es erfuhr, dass die Preise bis zu 20.000 Euro betragen können, da es sich um maßgeschneiderte Spezialanfertigungen handeln würde.

Wenn es sprachlich mal etwas klemmte, weil Jim Palmers Antwort beispielsweise zu umfangreich war, dann sprang Andreas Rech als Dolmetscher in die Presche. Der pensionierte ehemalige stellvertretende Schulleiter der Wilhelm-Leuschner-Schule fungiert auf Seiten der Rhine River Rhinos als Projektkoordinator. Auf der Homepage des Rollstuhl-Baketball-Bundesligisten findet man ohne Probleme seine Telefonnummer bzw. seine E-Mail-Adresse. Im Gespräch betonte Andreas Rech, dass die Rhinos jedes Jahr 40 Termine an Wiesbadener Schulen wahrnehmen würden, das Projekt aufgrund von finanziellen Kürzungen jedoch aktuell in Gefahr sei.

Sollte es wirklich so kommen, dann wäre das sehr schade, denn das Projekt ist wirklich sinnvoll und hilfreich, beispielsweise beim Abbau von Vorurteilen und den Heranwachsenden machte es sichtlich Spaß. So antwortete Paulina Taraszkiewicz aus der Klasse 7c: „Ich dachte am Anfang, das wird voll langweilig, aber es war voll cool. Im Rollstuhl macht es viel mehr Spaß als normales Basketball, viel angenehmer als zu rennen.“ Alina Maiworm, ebenfalls aus der 7c betonte: „Jeder sollte es mal ausprobieren!“ „Man lernt, wie man im Rollstuhl sitzt und diesen lenkt“, strahlte Yunus Yildirir.

Auch Bijanca Brückner, eine Schulsozialarbeiterin an der HES, die das Projekt an die Erbenheimer Integrierte Gesamtschule geholt hat, war sichtlich zufrieden: „Unsere Schülerinnen und Schüler sollen eventuell vorhandene Berührungsängste gegenüber Menschen mit Handicap ablegen und gleichzeitig Bewegungserfahrungen sammeln.“

Jens Kuntzsch 


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